Gehen
Wie sollte man sich verhalten, wenn eine Verhandlungspartei beharrlich unverschämte Forderungen auftstellt oder sich in einer vollkommen inakzeptablen Art und Weise verhält?
Die Antwort ist einfach: Gehen.
Wir vergessen leicht, dass Verhandlungen zwar hinter geschlossenen Türen stattfinden, aber geschlossen eben nicht verschlossen bedeutet. Wir haben damit immer die Möglichkeit und die Freiheit aufzustehen und zu gehen. In machnen Fällen ist das Gehen auch die einzige Möglichkeit, eine festgefahrene oder unangemessene Situation zu beenden.
Ein respektvoller Hinweis auf die wahrgenommene Schiefe der Situation reicht als Begründung aus, um das Gehen zu legitimieren. Im Gegensatz zu einem Abbruch der Verhandlung sollte man beim Gehen noch auf die Möglichkeit der Fortführung der Verhandlung hinweisen und die Wiederaufnahme sogar als die gewünschte Option hervorheben.
Damit wird das Gehen zu einer Pause und einer Möglichkeit die Situation neu zu durchdenken; für beide Seiten.
Geholfen oder geschadet?
Verhandeln Sie trotz oder wegen Ihrer Verhandlungsführung erfolgreich? Könnte der Verhandlungserfolg vielleicht größer sein?
Diese beiden Fragen stelle ich den Teilnehmenden in Workshops, Veranstaltungen und Vorlesungen fast immer direkt am Anfang.
Viele Personen glauben, gut zu verhandeln, da sie Erfahrung mit Professionalität gleichsetzen.
Wie bei allen Fähigkeiten macht aber erst die Kombination aus Training, Übung, Anwendung und Reflexion die Meisterin oder den Meister über die Zeit.
Den Startpunkt bei dieser Reise stellt ein realistisches Bild der eigenen Fähigkeiten und Herangehensweisen dar. Wie also ist es bei Ihnen?
Schaden oder helfen Ihre Art in Verhandlungen?
Hilfe
In Workshops und Vorlesungen frage ich gerne, wie bereitwillig die Anwesenden Hilfe und Unterstützung anbieten, wenn sie danach gefragt werden. Die überwiegende Mehrheit oder sogar fast alle Befragten geben an, selbstverständlich zu helfen oder zu unterstützen, wenn es möglich ist.
Danach frage ich, wie häufig denn die Personen selbst nach Hilfe oder Unterstützung fragen und diese nutzen. Hier zeigt sich ein vollkommen anderes Bild. Nur wenige gehen auf andere Personen zu.
Als Gründe hierfür werden unterschiedliche Dinge genannt. Manche möchten nicht schwach erscheinen, andere empfinden es schlicht als unangenehm oder wollen anderen nichts schuldig sein und wieder andere kommen erst gar nicht auf den Gedanken.
Es gibt also eine große Spanne zwischen der vorhandenen Hilfs- und Unterstützungsbereitschaft gegenüber anderen auf der einen Seite und deren Inanspruchnahme durch einen selbst auf der anderen.
Für Verhandlungen ist das ein großes Problem. Denn oftmals liegt genau dort die gesuchte Lösung.
Sich helfen zu lassen, ist kein Zeichen von Schwäche. Tatsächlich ist es ein wahres Zeichen von Stärke. Man gesteht sich und anderen gegenüber ein, nicht alles zu können und alles allein zu schaffen. Man braucht andere und ist auf sie angewiesen. So respektiert man ihre Stärke und kann durch das Fragen und die angenommen Hilfe die Wertschätzung für deren Fähigkeiten und Kompetenzen zum Ausdruck bringen.
Es braucht auch niemanden unangenehm sein. Schließlich empfindet man es selbst nicht als aufdringlich, sondern als selbstverständlich und natürlich.
Man steht auch niemandem in der Schuld. Vielmehr öffnet man die Tür, dass man in der Zukunft selbst um Hilfe und Unterstützung gefragt wird. Dadurch kann sich die persönliche Beziehung zur anderen Person verbessern. Es kann sogar sein, dass eigene Interessen in der Entscheidungsfindung mehr berücksichtigt werden, da man gehört wird.
Hecke
In Gesprächen neigen wir dazu, eigene Standpunkte leicht abgeschwächt zu formulieren. Mögliche Ergebnisse werden im Konjunktiv vorgestellt oder wir nutzen Wahrscheinlichkeiten, um auf das Erfolgspotenzial hinzuweisen. Sehr gerne unterstreichen wir auch die Subjektivität der Aussage durch Formulierungen wie "meiner Meinung nach" oder "es scheint für mich".
Grundsätzlich ist daran nichts falsch. In vielen Fällen ist es sogar von Vorteil oder schlicht notwendig, so vorzugehen. Schließlich gibt es in den meisten Fällen keine hundertprozentige Gewissheit und so ist es nur fair eine vorsichtige Darstellung zu nutzen, um niemanden zu täuschen.
Gleichzeitig sollte man sich aber bewusst sein, dass jede noch so leichte Einschränkung die eigene Überzeugungskraft erheblich schwächt. Denn durch die Abschwächung senden wir das Signal der Unsicherheit und des Zweifels.
Peter T. Coleman, Professor für Sozialpsychologie und Forscher im Bereich Konfliktlösung und nachhaltiger Frieden an der Columbia Universität, verwendet für dieses Sprachverhalten den Begriff "Hedging". Wir verstecken unsere Aussagen hinter einer sprachlichen Hecke.
In Verhandlungen sollte man sich sehr genau überlegen, ob man eigene Standpunkte und Interessen hinter eine Hecke platzieren will. Die Entscheidung liegt bei uns. Sie darf nur nicht unüberlegt getroffen werden. Denn die Wirkung kann erheblich sein.
Januskopf - Empathie
Ein Verständnis für die emotionale Situation der anderen Verhandlungsperson kann in vielen Fällen der Grund für eine erfolgreiche Verhandlung sein. Schließlich kann man durch das Verständnis eventuell den vorhandenen Optionsraum erweitern, Hürden reduzieren oder gar vollständig beseitigen sowie Möglichkeiten finden, die eigene Überzeugungskraft zu erhöhen.
Das heisst aber nicht, dass Empathie grundsätzlich und immer zu besseren Ergebnissen führt und keine Obergrenze kennt.
So hilfreich Empathie ist, so sehr sollte man sich die Frage stellen, ob man vielleicht eigene Interessen aus dem Auge verliert oder durch ein zu hohes Verständnis notwendige Forderungen für das Weiterkommen in Verhandlungen vernachlässigt.
Der Nutzenverlauf von Empathie gleicht damit keiner stetig, steigenden Linie, sondern eher einem umgedrehten U. Keine und wenig Empathie ist ebenso problematisch, wie zu viel davon. Das beste Ergebnis liefert eine gesundes Maß an Empathie, bei dem man immer noch den Blick auf das Wesentliche hat.
Miteinander oder gegeneinander?
Wie verhandelt man erfolgreicher? Miteinander oder gegeneinander?
Nehmen wir das Spiel Jenga. Normalerweise spielt man Jenga solange bis eine Person erfolglos versucht ein Steinchen oben anzulegen. Scheitert das, verliert die Person durch ihren Fehler und man selbst wird automatisch zum Gewinner.
Als Ergebnis hat man in diesem Fall zwei Dinge erreicht: Erstens ist das Ende des Spiel ein zerstörter Turm, zweitens erreichte der Turm vor dem Einsturz nie die maximal mögliche Höhe. Schließlich achtete man beim Spielen darauf, es der anderen Person möglichst schwer zu machen. Drittens ist mindestens eine Person unzufrieden mit dem Ergebnis.
So wie wir Jenga spielen, verhandeln wir häufig. Man kann nur gewinnen, wenn die andere Person verliert. Damit man möglichst schnell gewinnt, erschwert man der anderen Person das Handeln und versucht zudem den Handlungsspielraum einzuschränken.
Was passiert aber, wenn man den Fokus verändert und gewinnen als die höchste, erreichbare Höhe definiert. Damit ist nicht mehr die andere Person die Gegnerin oder der Gegner, sondern eine Verbündete oder ein Verbündeter.
Man denkt jetzt gemeinsam über mehr Möglichkeiten nach, lernt sich besser kennen und schafft ein besseres Ergebnis als im anderen Fall.
Warum also verhandeln wir oftmals nicht miteinander, sondern gegeneinander? Weil wir so sozialisiert sind und von einer Nullsummenannahme ausgehen. In dem Moment, in dem wir dies aber anzweifeln, sind wir schon auf dem Weg zu einem besseren Ergebnis.