Overvieweffekt
Der Begriff "Overview-Effekt" wurde von Frank White geprägt. In seiner Untersuchung stellte er bei Astronautinnen und Astronauten eine Bewusstseinsveränderung fest, die ihren Ursprung in der tiefgreifenden, emotionalen Erfahrung des Verlassens der Erde hatte.
Nach dem Besuch des Weltalls und dem Blick auf die Erde hatte sich bei den Raumfahrerinnen und Raumfahrern die Wahrnehmung auf die Erde samt allen Lebens verändert.
Ein Gefühl der Ehrfurcht, ein Erkennen der Verbundenheit allen Lebens auf der Erde, eine Relativierung von Mensch gemachten Grenzen und Unterschieden sowie ein starkes Gefühl der Verantwortung für unsere Lebenswelt und Umwelt hatte sich eingestellt.
Der Overview-Effekt kann auch in Verhandlungen eine große Hilfe sein; gerade dann, wenn man sich in einer emotional aufgeladenen Situation befindet.
Anstatt sich von dem negativen Erlebnis vereinnahmen zu lassen und tritt man einen Schritt zurück und betrachtet die Situation aus der Entfernung und fragt sich: Welche Bedeutung hat dieser Aspekt für das übergeordnete Ganze? Ist es sinnvoll, hier zu streiten oder zu diskutieren? Schafft man gerade Nutzen?
Lautet die Antwort "Nein" - was meistens der Fall ist - sollte man sich wieder auf das Wichtige fokussieren und die Kleinigkeit fallen lassen. In unseren Workshops trainieren wir diese Technik, damit man gut vorbereitet in Verhandlungen geht und anderen dabei helfen kann, in Verhandlungen das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren.
Parkbank
Auf Parkbänken starten und enden Beziehungen. Doch auch sonst sind sie ein beliebter Ort, um sich zu unterhalten. Die Landschaft lädt zum Verweilen ein und es bietet sich die Gelegenheit mit Freund*innen und Bekannten entspannt zu sprechen. Manche nutzen Parkbänke auch, um geschäftliche Dinge zu klären. Ich zum Beispiel frage Geschäftspartner*innen häufig, ob wir die Gespräche draußen im Park führen wollen. Nach einem Spaziergang enden die Gespräch dann in vielen Fällen auf einer Parkbank.
Gerade weil Gespräche im Freien und auf einer Bank so entspannt sind, sollte man sich fragen, ob die Gespräche wirklich für beide Seiten so gut waren, wie man glaubt. Entscheidend ist dabei, wie gut man sich gegenseitig zuhört.
Für sich selbst kann man relativ einfach feststellen, welche Qualitäten man als Zuhörer besitzt, indem man sich folgende Fragen beantwortet: Wie häufig unterbreche ich die andere Person? Kann die andere Person einen Gedanken zu Ende bringen, ohne dass ich unterbreche? Gibt es Momente, in denen die andere Person auch kurz innehält und dann weitererzählt oder gibt es gar keine Redepausen, weil man selbst sofort ins Gespräch springt.
Einfach beim nächsten Gespräch aufmerksam beobachten. Je besser man zuhört, desto größer ist die Zufriedenheit der anderen Person mit dem Gespräch. Man selbst erfährt mehr und hinterlässt einen besseren Eindruck. Gelingt dies bei Parkbankgesprächen, werden auch schwierige Verhandlungen besser verlaufen.
Pixel
Führen wir Verhandlungen nicht persönlich, sondern beispielsweise per Mail, kann ein interessanter Effekt zu wirken beginnen. Die andere Person wird für uns abstrakter. Mit dieser Zunahme der Abstraktheit kann es dazu kommen, dass die Kulft zwischen der anderen Person und uns größer wird. D.h. es verbinden uns weniger Dinge. Für die Verhandlung kann das bedeuten, dass sich der Charakter der Verhandlung verändern kann. Weil die andere Person verpixelt also abstrakter wird, kann es geschehen, dass wir uns stärker auf die eigenen Ziele konzentrieren. Die Nullsummenannahme, die besagt, dass nur ich mehr erhalten kann, wenn die andere Person etwas verliert, kann an Bedeutung gewinnen.
In Verhandlungen sollte man deshalb immer versuchen, das Persönliche und Individuelle zu betonen. Daneben sollte man sich auch immer bewusst werden, dass dieser Effekt auch unsere Wahrnehmung der anderen Person negativ beeinflussen kann. Mit dieser Sensibilität und Aufmerksamkeit steigt die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Verhandlungsaussgangs.
Posaune
Wir lieben es Muster zu erkennen. Genau deshalb suchen wir auch ständig und überall nach Mustern. In Verhandlungen stellen Verhandlungstaktiken beliebte Muster dar, nach denen wir suchen. Nutzt unser Gegenüber beispielsweise die Good-Cop-Bad-Cop-Taktik oder ist gerade die Snowball-Taktik im Einsatz?
Glaubt man eine Taktik erkannt zu haben, stellt sich natürlich die Frage nach der richtigen Reaktion.
Liegt man mit der Wahrnehmung richtig, bringt man sich selbst um einen Vorteil, wenn man die Taktik benennt. Denn wirkungsvolle und sinnvolle Gegentaktiken können nicht mehr zum Einsatz kommen, da die andere Partei ihr Verhalten sofort anpassen wird.
Liegt man falsch, riskiert man die andere Seite zu brüskieren. Wer will sich schon unberechtigt den Vorwurf machen lassen, unfaire Taktiken einzusetzen und das dann auch noch schlecht.
Insgesamt ist es somit ratsam, die Taktik nicht direkt zu benennen oder die andere Partei unverblümt darauf anzusprechen. So sehr die Verlockung sein mag, das eigene Wissen herauszuposaunen, so sehr sollte man das lassen.
Preis
Fühlt man sich während der Einarbeitungszeit bei Zappos unwohl, bietet das Unternehmen $4000, damit man das Unternehmen freiwillig verlässt.
Mögliche Probleme, die aus einer fehlenden Identifikation mit der Unternehmenskultur entstehen können, werden damit direkt zu Beginn einer Zusammenarbeit weitestgehend verhindert.
Die $4000 sind als Preis aber noch viel wertvoller für die Personen, die sich entscheiden zu bleiben. Denn durch dieses Instrument können die Mitarbeiter*innen von Zappos ihrem Verbleib einen echten Preis zuordnen. Man entscheidet sich ein weiteres Mal bewusst für Zappos und gegen $4000.
Das Beispiel von Zappos zeigt, das Einstiegsverhandlungen nicht mit der Einstellung enden müssen. Es kann sogar sinnvoll für alle Beteiligten sein, immer wieder das Commitment zum Unternehmen und zur Kultur zu überprüfen. Es ist auch ein hervorragendes Beispiel für einen respektvollen Umgang mit Personen, der auf Unternehmenswerten basiert.
Prisma
In Verhandlungen besteht eine zentrale Aufgabe darin, die Interessen der anderen Verhandlungspartei zu erkennen und zu verstehen. Verhandlerinnen und Verhandler müssen zu einem Art Prisma werden, dass allgemeine Interessensbekundungen zu Beginn des Verhandlungsprozesses gekonnt in die einzelnen Unterinteressen aufbricht.
Denn in diesen Unterinteressen sind häufig auch die Schlüssel für eine erfolgreiche Einigung verborgen. Durch das Aufbrechen werden zugrunde liegende Motive und Zusammenhänge erkennbar und können in der Verhandlung genutzt werden.
Gleichzeitig gilt es auch eigene Interessen aufzubrechen und zu zeigen. Dadurch kann man die andere Partei dazu bringen, einen Perspektivwechsel vorzunehmen und nicht nur die eigene Sichtweise zu beachten.
Prismen können das Licht nicht nur aufbrechen, sondern auch wieder zusammenführen. Aus den Facetten entsteht wieder ein Ganzes.
Auch in Verhandlungen reicht es nicht nur aus, die Interessen aufzubrechen. Vielmehr müssen alle Bestandteile am Ende wieder zu einem Ganzen zusammengeführt werden.
Für Außenstehende ist der Prozess des Aufbrechen und Zusammenführens nicht erkennbar. Die damit verbundene Arbeit wird deshalb oftmals leicht unterschätzt und zu wenig wertgeschätzt. Man sollte sich davon aber nicht demotivieren lassen und als Konsequenz davon abkommen, als Prisma zu fungieren. Denn genau hier liegt ein entscheidender Unterschied zwischen erfolgreichen und erfolglosen Verhandlerinnen und Verhandlern sowie zwischen einem zufälligen und einem bewusst herbeigeführten und aktiv gestaltetem Verhandlungserfolg.
Redepause
Fragt man Personen, wie Sie die Zeit beschreiben, in der eine andere Person spricht, kann man häufig zwischen den Zeilen lesen, dass es eigentlich nur eine Redepause ist.
Man wartet, bis man selbst wieder sprechen kann. Dauert das gefühlt zu lange, möchte man die andere Person unterbrechen. D.h. viele hören gar nicht wirklich zu, sondern warten nur darauf, selbst wieder sprechen zu können.
Um zumindest den Anschein zu erwecken, dass man zuzuhört, wird ein Schnipsel der anderen Person aus deren Anfangsworten genommen und darauf reagiert. Man nutzt die restliche Sprechzeit der anderen Person, um die eigene Antwort vorzubereiten.
Mit dieser Vorgehensweise nimmt man sich in Verhandlungen die Chance etwas über die andere Person und deren Interessen zu erfahren. Das wäre aber wichtig, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Schließlich braucht man für eine Einigung die Zustimmung der anderen Person. Dafür muss sich die andere Person gehört, verstanden und im Vorschlag berücksichtigt fühlen.
Für die Vorbereitung auf Verhandlungen gehört es somit dazu, den Drang zu reden zu reduzieren und vielmehr im Jetzt bei der anderen Person zu sein.
Risse
Wie kann man jemanden dazu bewegen, von der eigenen Meinung abzurücken oder die Meinung zu verändern? Diese Frage gilt es in #Verhandlungen häufig zu beantworten. Die Grundvoraussetzung für eine #Meinungsänderung liegt in der Offenheit für neue oder abweichende Informationen. Mit einer starren Haltung und einer vehementen Vertretung des eigenen Standpunkts kommt man hier meistens nicht weiter.
Eine vielversprechende Möglichkeit liegt darin, kleine #Risse in der eigenen Meinung zu kommunizieren. Ein kleiner Hinweis, dass man selbst nicht 100 % sicher sein kann oder dass es auch Argumente gibt, die in eine andere Richtung deuten, können die Bereitschaft bei der anderen Partei. erhöhen, neue Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten. Denn jetzt stellen die Aussagen keinen Angriff auf die andere Person dar und Abwehrmechanismen kommen nur reduziert zum Einsatz.
Schmelzen
Macht man in #Verhandlungen ein #Zugeständnis, erwartet man von der anderen Partei ebenfalls etwas Gleichwertiges im Gegenzug. Bleibt diese Erwartung unerfüllt, fühlt man sich unfair behandelt. Schließlich gehört es sich, ein Entgegenkommen auch angemessen zu erwidern.
Diese Reziprozitätsregel ist spätestens seit dem Buch "#Influence" von #Cialdini sehr bekannt.
Wie verhält es sich aber, wenn #Reziprozität eingehalten wird? Gibt es auch dabei etwas zu beachten?
Auch hier gibt Robert Cialdini einen Tipp. Man sollte das Schmelzen des gewährten Wertes beachten. Der Wert einer erhaltenen Leistung sinkt mit der Zeit in der Wahrnehmung der anderen Person.
Möchte man also eine gleichwertige Gegenleistung erhalten, sollte man nicht zu lange warten, diese auch einzufordern. Ignoriert man das, sollte man sich nicht wundern, wenn man enttäuscht wird.
Weitere wichtige Tipps zu Verhandlungen gibt es am 29. Juni bei der Verhandlungstagung. Noch gibt es Tickets auf der Website der Tagung und in Ausnahmefällen auch noch Teilnahmestipendien.
Schneeballtaktik/Snowballing
In Verhandlungen kann es gerade bei sehr kompetitiven Personen vorkommen, dass wichtige Informationen zwar bereitgestellt werden, diese aber so gut in einer Masse an Informationen versteckt sind, dass man sie nicht oder nur mit viel Aufwand finden kann.
Im Umgangssprachlichen wird dies auch gerne mit dem "Kleingedruckten" umschrieben, in dem die nachteiligen Aspekte versteckt werden. Es ist also schon alles da, aber eben nicht offensichtlich.
Findet das Verschleiern bewusst und zielgerichtet in Verhandlungen statt, spricht man von der Schneeballtaktik oder dem Snowballing.
Im Gegensatz zu anderen Taktiken gibt es bei der Schneeballtaktik keine leichte Abkürzungsmöglichkeit zum Ziel.
Stattdessen gilt es durch geschicktes Fragen oder eine systematische, aufwendige Analyse der bereitgestellten Informationen das Relevante zu finden.
Eine andere Sache ist es, wenn die andere Partei aus Unwissenheit oder aus einer übersteigerten Offenheit zu viel weitergibt. Denn hier kann man im Dialog durch ein geleitetes Fragen, schnell zum Wesentlichen vordringen. Gleichzeitig sollte man sich auch selbst immer fragen, ob man aus Versehen die andere Partei mit zu viel Informationen überfrachtet.
Schnecke
Verhandlungen können sich manchmal in die Länge ziehen? Aber warum? Vor Verhandlungsbeginn hatte man mit einer schnellen Einigung gerechnet. Aktuell bewegt man sich aber unmerklich vorwärts. Die Schuld dafür ist natürlich bei der anderen Person zu suchen, die den Prozess verschleppt. Viele vergessen dabei, dass häufig Personen im Hintergrund für die Verzögerung verantwortlich sein können. Statt also sprachlich einen Gang hoch zu schalten und Druck auf die andere Person aufzubauen, sollte man deshalb in einem ersten Schritt die Gründe für die Verlangsamung in Erfahrung bringen. Tragen tatsächlich Personen im Hintergrund die Verantwortung für die Situation, kann man der anderen Partei Unterstützung anbieten. Braucht sie beispielsweise noch weitere Informationen oder kann man bestehende Informationen besser aufbereiten und zur Verfügung stellen. So sammelt man nicht nur Pluspunkte und Vertrauenspunkte bei der anderen Person, sondern lernt interne, sonst verborgene Entscheidungsprozesse kennen und kann auf diese sogar noch positiv Einfluss nehmen.
Schreiben
Wir führen Verhandlungen oftmals nicht im persönlichen Gespräch, sondern nutzen E-Mails als Kommunikationsmittel. E-Mails sind gerade für Verhandlungen von Vorteil, da Studien zeigen, dass dadurch die Qualität der Argumente an Bedeutung gewinnt und Verzerrungen aus dem persönlichen Kontakt ausgeschaltet werden. Man kann die eigene Antwort auch selbst besser durchdenken und die eigene Position klarer zum Ausdruck bringen.
Verhandlungen per Mail sind aber auch problematisch. So zeigen Studien, dass durch die E-Mail-Kommunikation wichtige Hinweise fehlen, die wir im persönlichen Gespräch sammeln könnten. Es fällt schwer die Gefühlslage der anderen Person richtig einzuschätzen, die Hierarchie von Interessen lässt sich nur aus dem Text ablesen und man neigt dazu, Dinge weniger diplomatisch zu schreiben. Das alles kann erklärt, weshalb Verhandlungen per Mail oftmals schwieriger verlaufen und eine emotionale Eskalation wahrschenlicher wird.
Selbstverständlich kann man die negativen Aspekte reduzieren. Beispielsweise kann man vor Beginn der E-Mail-Verhandlung das persönliche Gespräch suchen und sich auf die Art und Weise des Austausches einigen. Was immer hilft, ist das Bewusstwerden, dass die Empfängerin oder der Empfänger der eigenen Nachricht ein Mensch ist, mit Stärken und Schwächen, mit Interessen und Ängsten. Das klingt recht banal, aber wenn man ehrlich zu sich ist, stereotypisiert man die andere Person doch recht häufig und die Vereinfachung ist dann auch nicht besonders schmeichelnd für die andere Person.
Schutz
Walmart, Amerikas größter Einzelhändler hat eine neue Botschaft an seine Lieferanten gesendet: "Wir werden keine höheren Preise mehr zahlen." Diese unmissverständliche Warnung sprach der Vorstandsvorsitzende Doug McMillon selbst letzten Monat aus, als er vor Unternehmen auftrat, die ihre Produkte über Walmart verkaufen.
Walmart ist nicht das einzige Unternehmen, das gerade damit beginnt, seine bestehende, distributive Verhandlungsstrategie weiter zu verschärfen oder von einer kooperativen zu einer distributiven Strategie zu wechseln.
Anstatt auf gemeinsame Gewinne zu setzen, wird der Fokus von vielen Unternehmen bedingt durch die zahlreichen Krisen und die Verschlechterung der Wirtschaftslage auf den eigenen Vorteil gelegt.
Verhandlungstaktiken, die diese Denkweise verkörpern sind damit wieder verstärkt in Mode und werden nachgefragt.
Es bestehen aber berechtigte Zweifel, ob dieses Vorgehen tatsächlich zielführend und langfristig erfolgreich sein wird. Schließlich hat die Vergangenheit gezeigt, dass kooperatives Verhalten die eigentliche Gewinnbasis darstellt.
Eine Abkehr davon mag kurzfristig Nutzen erzeugen, aber man sollte die damit verbundenen Gefahren nicht vergessen.
Ungeachtet dessen werden sich viele Verhandlungen in nächster Zeit im Charakter verändern.
Es gilt sich also zu schützen und auf die neue Situation einzustellen. Der Umgang mit distributiven Taktiken ist zu trainieren, damit man in Verhandlungen eigene und geteilte Interessen durchsetzen kann. Gleichzeitig wird es notwendig sein, auch in diesen Verhandlungen wieder an das Gemeinsame und Geteilte zu erinnern. Auch das gilt es vorab zu durchdenken und zu üben.
Spielfeld
Verhandlungen entsprechen in vielen Aspekten einem Fussballspiel, bei dem man den Platz betritt und dort auf die andere Mannschaft trifft. Sobald das Spiel durch die Schiedsrichterin freigegeben ist, verengt sich die Wahrnehmung auf das Geschehen auf dem Spielfeld.
Hat man Kontrolle über das Spiel, wird die gewählte Taktik aufrecht erhalten und verfeinert, um die Kontrolle zu erhöhen. Merkt man hingegen, dass die Kontrolle fehlt, wird die gewählte Taktik verändert und angepasst, um Zugriff auf das Spiel zu gewinnen und das Machtverhältnis zu eigenen Gunsten zu drehen.
So logisch das ist, so falsch kann diese Herangehensweise in beiden Fällen sein und eine Niederlage verursachen. Denn manchmal liegt der Schlüssel für den Erfolg außerhalb der spielenden Mannschaften auf dem abgestreuten Spielfeld.
Ein Einwechselspieler kann beispielsweise die Dynamik und das Gefüge des Spiels vollkommen verändern. Die Zuschauer auf den Rängen können durch ihr Verhalten das Geschehen des Spiels nachhaltigen beeinflussen.
All das gibt es auch in Verhandlungen. Verändert man die Verhandlungsmannschaft durch das Ein- oder Auswechseln einer Person, kann sich die Verhandlung dadurch dramatisch verändern. Bislang unbeteiligte Personen außerhalb der Verhandlung können eingebunden werden, um die andere Seite außerhalb der Verhandlung zu erreichen und zu beeinflussen.
Vor und während der Verhandlung gilt es also das Spielfeld nicht nur auf den offensichtlichen und naheliegenden Bereich zu begrenzen, sondern über die Seitenlinien zu schauen und sich der Bedeutung der möglichen Einflussgruppen außerhalb des Spielfelds bewusst zu werden.
Spuren
Häufig gilt es in Verhandlungen zwischen unterschiedlichen Gruppen zu vermitteln und die Interessen miteinander in Einklang zu bringen. Dazu muss man sich auf Spurensuche begeben. Wo liegen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den jeweiligen Interessen der Gruppen? Wo existieren einseitige Interessen, die bei anderen Gruppen keine bedeutende Rollen spielen? Je mehr Gruppen beteiligt sind und berücksichtigt werden müssen, desto schwieriger wird die Aufgabe.
Während seiner Zeit als Vorsitzender des Militärausschusses der NATO, stand Harald Kujat häufiger vor dieser Aufgabe. Er musste die Interessen der NATO-Mitglieder verstehen und für eine Einigung in Einklang bringen. Dass bei der NATO, das Konsensprinzip gilt, machte die Aufgabe noch schwieriger. Schließlich müssen alle dem Vorschlag zustimmen.
Herr Kujat löste die Aufgabe, indem er sich zuerst einen Überblick über die Ausgangslage verschaffte und die einzelnen Interessen in einer Übersichtstabelle festhielt. So war es leicht, die kritischen Punkte zu identifizieren, die verhandelt werden mussten. Mit diesem Wissen ging es dann in die konkreten Verhandlungen, in denen mit Geschick und Gespür eine Lösung erarbeitet wurde.
Symbolwert
Vor 25 Jahren flogen die beiden Netflix-Gründer, Reed Hastings und Marc Randolph, nach Seattle, um mit Amazon über einen Verkauf des Unternehmens zu sprechen. Am Ende der Verhandlung bot Jeff Bezos den Gründern einen Betrag von 15 Millionen EUR für das Unternehmen.
Wie wir alle wissen, schlugen Reed Hastings und Marc Randolph dieses Angebot aus und schufen in den folgenden Jahren ein globales Vorzeigeunternehmen, das eine ganze Branche und unser Konsumverhalten veränderte. Ihr Culture-Deck, in dem die Unternehmenswerte und die -kultur erklärt werden, wird von vielen zu den wichtigsten Dokumenten im Silicon Valley gezählt und hat viele Unternehmen nachhaltig beeinflusst.
Auch wenn es nie zum Verkauf kam, war der genannte Preis dennoch von enormer Bedeutung. Denn mit dem Preisvorschlag erhielten Hastings und Randolph eine Bestätigung dafür, was sie geschaffen hatten. Ein vielversprechendes Unternehmen für das man 15 Millionen EUR bezahlen wollte. Wirklich herausragend für ein Unternehmen, das erst 12 Monate aktiv ist.
Viel wichtiger war jedoch, dass die beiden Gründer einen imaginären Preis dafür zahlten, weiterhin an ihrer Idee zu arbeiten. Marc Randolph spricht deshalb auch davon, dass die Verhandlung eine "Commitment Ceremony" war.
Sweeteners
Manchmal braucht es noch einen kleinen Schubs, damit eine Verhandlung abgeschlossen werden kann. Diesen letzen Impuls können Sweeteners erzeugen. Sie machen das vorhandene Angebot noch etwas schmackhafter und können genau diese Wirkung entfalten. Der Einsatz von Sweeteners sollte jedoch immer mit Bedacht gewählt werden. Erstens sollte ein Sweetener einen zusätzlichen und wirklichen Wert für die andere Verhandlungspartei bieten. Zweitens ist darauf zu achten, dass dadurch nicht der Verhandlungsprozess selbst noch einmal geöffnet wird und eine bestehende Eingung grundsätzlich in Frage gestellt wird. Drittens gilt es das Gefühl einer Überrumpelung oder Manipulation zu vermeiden. Ein gut gemeintes Angebot kann schnell Skepsis erzeugen und die eigene Person in ein schlechtes Licht rücken. Viertens ist auch die langfristige Wirkung zu beachten. Verwendet man Sweeteners häufiger oder sogar standardmäßig, kann damit eine Erwartungshaltung bei der anderen Person erzeugt werden. Ein Sweetener wird damit automatisch erwartet und ein Ausbleiben verringert die Zufriedenheit mit dem Verhandlungsergebnis oder verhindert gänzlich eine Einigung.